Monday, January 14, 2008

Fabrizzio, 4 Jahre

Fabrizzio: ¨Gregor, woher kommst du?¨
Gregor: ¨Aus Deutschland¨
¨Nee von welchem Planeten?¨
¨Von der Erde¨
¨Waaas, von der Erde?? Hee Javier, Gregor ist auch von der Erde!!!

Saturday, January 5, 2008

Lima und so weiter

Bevor ich Lima jetzt scho wieder verlasse, sollt ichs vielleicht endlich mal hinkriegen hier weiter zu schreiben und euch mal was ueber Lima wissen lassen, was eh sehr begrenz ist


Denn obwohl ich jetzt schon 2 Monate hier bin, kenn ich die Stadt eigenlich recht schlecht. Das mag daran liegen, dass sie einfach rieeesen riesen gross ist, in alle Richtungen unueberschaulich ausfranzelt und ich in einem dieser Aussenbezirke haengen geblieben bin, weit vom Zentrum entfernt. Ich kapiers selbst ehrlich gesagt auch nich so ganz, ob ich selbst jetzt in Lima wohn, oder in nem Kaff ausserhalb das nur grenzlos uebergeht... keine Ahnung! Da meint jeder was anderes.

Wie gross ist Lima?! Ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung! Wenn man auf dem Cerro San Christobal steht, einem dieser Sandhuegel, der zum Aussichtspunk gemacht wurde, sieht man das ganze Zentrum schoen von oben, aber wo die Stadt aufhoert oder anfaengt sieht man nimmer. Ein Meer geht ins andere ueber, der Pazifik ins Haeusermeer. Mein huebsches Zapallal, wo das Heim ist, liegt irgendwo hinter den Sieben Bergen weit weit weg.
Lima waechst taeglich in alle Richtungen, ausgenommen vielleicht dem Westen! Wenn man hier jemand fragt, wieviele Leute hier wohnen, heisst es: ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung!
Offiziell 8 Millionen aber wenn man betrachtet, wie rassant die Stadt die Leute in sich aufnimmt und wie unuebersichtlich die Aussenbezirke hier sind, naja, dann ist auch diese Zahl nich sehr informativ. Angeblich leben doch 12 Mio hier. Ein Drittel mehr!!!



Das Zentrum is eigentlich immer noch das alte koloniale Lima mit den beruehmten Balkonen, mittlerweile scho ziemlich alt und zerfallen, aber trotzdem schoen. Dort is immer viel los und laut und hektisch. Das wirtschaftliche Zentrum is Miraflores, ein Stadtteil am Meer in dem man sich wie in einer modernen "westlichen" Grossstadt fuehlt und wo sich die ganzen Touries zwischen den glaenzenden Hochhaeusern rumtumeln. Hier zahlt man fuer alles gleich mal viel mehr, es is ruhiger und langweilig und als weisse wird man nich ganz so dumm angeschaut. Drum rum gibts all diese anderen Bezirke. Von alten zerfallenen, sehr gefaehrlichen, dicht bewuselten Strassen gehts in die reichen ruhigen Wohngebiete, in denen man sich fast wie im Urlaub und sicher fuehlen kann. Und nach aussen hin sind einfach ueberall nur Haeuser! Je weiter raus man kommt, desto sandiger wird es. Taeglich kommen Leute vom Land hier her, mit der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben und werden hier nur enttaeuscht und verarmen vollkommen. Die Haeuser werden einfach da hin gebaut wo Platz is. Eigentlich illegal, aber die Politiker dulden das und unterstuetzen das der Stimmen halber sogar!



Diese Gebiete sind die sog. Pueblos Jovenes (junge Doerfer), die Slums.
Und Alois, der Deutsche, der mich hier ins Heim brachte, hat mir zum Thema mal ne nette Geschichte erzaehlt. Er wollte einmal in solch einem Gebiet Baeume pflanzen, bereitete alles vor und als er nach einer Woche wieder kam, standen 300 Haeuser da. Nicht wiederzuerkennen.
Dementsprechend aber leben die Menschen dort auch. ohne Wasser, ohne Strom, Klos... die Haeuser sind einfache, aus verschiedentlichstem Material zusammen gebaute Wuerfel in den Sandhuegeln. Und ab und zu fragt man sich dann doch, ob man wirklich in einem Wohnzimmer steht und nicht in einem Geraeteschuppen.



In dieser Stadt ist irgendwie immer Hektik, alles schmutzig, sandig, stinkig, laermend und voller Muell. Es gibt nirgends einen Ort, an dem man sich einfach wohlfuehlen kann, zumindest nicht in meiner Naehe. Zwar alles ganz spannend und so zu sehen und macht auch Spass mal rauszukommen. Aber mit Ruhe is nix. Vorallem auch nich, wenn man mitten in einem Kinderheim wohnt, in dem rund um die Uhr gewuselt wird und man dauernd das Gefuehl hat, den armen ueberforderten SeƱoritas unter die Arme zu greifen zu muessen. Und das wird ziemlich anstrengend auf die Dauer, wenn man einfach nirgends mal ausruhen kann.

Die meiste Hektik scheint auf den Strassen zu liegen. Und in den Bussen lernt man recht schnell um sein Leben zu bangen. Dass Zeit Geld ist, haben die hier gut verstanden und so veranstalten die Fahrer so das ein oder andere Rennen, wenn ein Bus der gleichen Linie in Sicht ist. Dann kommt es auf nen Seitenspiegel hin oder her auch nimmer drauf an. Hauptsache vor dem anderen an der naechsten Haltestelle sein und alle Leute aufgabeln. Auch wenn der Bus schon so voll is, das die Tueren nichtmehr geschlossen werden koennen und der Coprador, der kassiert und die Leute reinstopft, aussen vor der Tueren haengt. Und man wird scho auch mal angelogen, wenn man fragt, ob der Bus da und dort hin faehrt. Hauptsache du bist im Bus und dann ist egal, wenn du im Dunkeln allein an nem unbekannten Ort landest. Die Bremse wird hier oft mit der dauernd eingesetzten Hupe verwechselt, auch wenn man auf eine Kreuzung zurauscht. Irgendwie klappts wohl doch immer ganz gut, wobei man nicht selten von Unfaellen hoert und sieht, die fuer einige toedlich enden.
Abenteuerlich und spannend das ganze.
Das Menschengewusel unterstreicht das alles. Ueberall werden einem Waren angeboten. Auf der Strasse bei roten Ampeln durch die offenen Fenster, wenn nicht gleich im Bus. Was mich beeindruckt hat, ist die Kreativitaet, mit denen die hier Geld machen wollen. Bisher hab ich bis auf sehr alte Menschen, keinen getroffen, der einfach nur um Geld bittet. Sie sitzen mit Waagen auf den Bruecken, putzen Schuhe, verkaufen irgendwelche Bonbons oder sonstige Sachen und versuchen mit ihren Kindern Mitleid zu erregen, singen und schlagen einem bei roter Ampel Saltos vom Auto... Immer wird irgendwas geboten.




Wie mans von mir ja scho kennt, bin ich mal wieder in letzter Sekunde hier am schreiben. Im Heim stehen schon alle meine sachen parat und geputzt hab ich auch schon. Ich werd das Heim heut verlassen und damit auch Lima. Ab morgen bin ich in Ica, einer Stadt weiter im Sueden. Dort wartet ein 2 woechiges Projekt auf mich, ueber das ich jetzt noch nich viel sagen kann und danach gehts gen Norden und weit weit weg von all dem hier.

Irgendwie is hier im Heim so viel passiert die letzten Wochen und das ganze Bild hat in dicken Brocken zu broeckeln angefangen. Die Madre is ne olle olle Hexe die sich unter dem Geschwaetz von Familie, Liebe und Gott versteckt. Es ist Sklaverei was die hier betreibt. Ziemlich frustrierend zu sehen, wie die mit den Leuten umgeht, mit den Kindern und all den Angestellten. Und niemand setzt da was dagegen. Fuers neue Jahr hat sie sich wohl vorgenommen, das alles noch etwas zu steigern. Es erinnert an die Tiere von George Orwells Animal Farm. Von den im Heim Lebenden wird nicht nur dauernd mehr und mehr erwartet, sondern sie werden auch so behandelt wie Tiere.
Ich konnte all dem zwar immer ausweichen und ab und zu mal ausgehen, da sie mir anfangs hoeflich sagte, ich kann ruhig ausgehen, ich solle alles kennenlernen und mir wurde nie gesagt, was von mir erwartet wird, wieviel ich arbeite... Aber irgendwann fuehlt man sich immer bescheuerter, wenn man die einzige ist, die das Heim verlassen kann, Freunde treffen und ins Zentrum... gehen kann und wenn man dann immer die Gesichter der anderen sieht, macht das irgendwann auch kein Spass mehr. Ausserdem muss man sich jedesmal ne Strategie ueberlegen, wie man wieder reinkommt, da die Tuere verschlossen wird und natuerlich nur die Hexe einen Schluessel hat.
Ich muss jetzt erstmal n bissl raus da. Will mir mal anschauen, wie es ist, wo anders zu arbeiten und wenn ich dann schoen lang und weit weg war, dann geh ich vielleicht zurueck. Denn wegen den Kindern und all den lieben Leuten drum rum, die man dann doch so kennen lernt, ists wirklich auch schade jetzt zu gehen. Und vielleicht treff ich ja irgendwo noch einen alten Guerilla der mir beibringt Revolution zu machen und dann machen wir dieser Diktatur ein Ende.